Und das ist noch nicht mal gelogen… Diese provokant anmutendende Headline fasst eine wahre Begebenheit zusammen. Kurz und schmerzlos. Live er- und überlebt von den Autoren. Man stelle sich vor: 1 ambitionierter Präsentator. 40 Meetingteilnehmer. 1 Beamer. Doch jener fleißige Beamer beamt nicht einfach nur seine schnöde ppt. an die Wand… Er leuchtet aus. Und zwar den Maßanzug des Präsentators. Eine Minipräsentation im Schritt des Redners. 2 Stunden lang. Alle höflichen, direkten, indirekten und albernen Kommentare des Publikums ignorierend. Präsentationstechnik 0.5… Worum es in dem Meeting eigentlich ging? Glauben Sie, das hat irgendjemand der Beteiligten auch nur im Ansatz noch mitbekommen? Darüber hinaus sind allerdings nicht mehr viele Fragen offen geblieben…
Das veranlasst mich, rückblickend die Stunden zu addieren, die ich in sinnlosen oder einfach schlecht organisierten Veranstaltungen verplempert habe. Zusammen mit all den Leidensgenossen, deren tiefste Seelenabgründe ich nun kenne – aber dazu später mehr. Vorab sei gesagt: ich habe durchaus auch Meetings miterleben dürfen, die konstruktiv, zielführend, hervorragend organisiert, vorbereitet und nachbereitet waren. Jede Menge sogar. Die Realität sieht jedoch meist leider eher anders aus. Was hätte ich alles tun können: ein Buch lesen, ein Buch schreiben, Quantenphysik verstehen… aber nichts da. Es gibt quasi kein Entkommen. Getreu dem Motto: “I survived another Meeting that should have been an E-Mail”
Wie alles beginnt…
Leider nicht genug, dass wir an Meetings teilnehmen, die auf einer Relevanz-Skala von 1 bis 10 irgendwo bei bei -5 einzuordnen sind. Nein: wir setzen noch einen oben drauf und kommen gern zu spät im 5 Minuten Rhythmus eingetrudelt. Pünktlichkeit ist keine Frage des Ankommens, sondern des Losfahrens. Staus, Streiks, Vulkanausbrüche oder Entenfamilien auf der A3 mal ausgenommen: Generell gebührt es doch einem Mindestmaß an Respekt, dass man 5-10 Minuten VOR Beginn des Meetings eintrudelt. Egal ob intern oder extern. Und wenn ich das hier so schreibe, komme ich mir vor wie das Fräulein Rottenmeier. Und denken Sie immer daran einen Stift mitzubringen! Uaahhhhhh…… Traurig aber wahr.
Jetzt aber… Es kann losgehen!
Nachdem dann alle Herrschaften tatsächlich und leibhaftig teilnahmefähig sind, freuen wir uns erstmal: Juhu, wir haben eine Agenda. Aber Moment: Wer schreibt eigentlich Protokoll??? *betretenesschweigen* *blättergeraschel* Zack! Alle Blicke richten sich demokratisch auf denjenigen, der entweder am untersten Ende der Nahrungskette steht, oder an denjenigen, der gerade im falschen Moment doof aus der Wäsche guckt. Dem somit auserkorenen Protokolldeppen werden feierlich und einvernehmlich vom ranghöchsten Meetingteilnehmer Amt und Würden verliehen. Gegenwehr unmöglich. Also ergibt sich verbeamteter Depp seinem Schicksal und forscht erstmal nach der Protokollvorlage (konnte ja keiner ahnen, dass man auch heute wieder eine braucht). Ergebnis nach 30 minütiger Suche auf den einschlägigen Quellen:
- Ich nehme die lokal gespeicherte Version vom Desktop
- Die Vorlage ist überraschenderweise immer noch so bombastisch formatiert, dass ich schon beim Versuch das Datum einzutragen graue Haare bekomme. If word had a face, I would punch it.
Die obligatorische Vorstellungsrunde
Sobald auch nur ein Teilnehmer eines Meetings ansatzweise unbekannt sein KÖNNTE darf natürlich die Vorstellungsrunde nicht fehlen. Egal wie viele Teilnehmer nun anwesend sind: Die Agenda schreibt hierfür akribisch 15 Minuten vor. Name, Alter, Dienstgrad. Next! So könnte das eigentlich funktionieren. Stattdessen sieht die Vorstellungsrunde eine kleine Sub-Agenda vor, die nach neusten Psychologie-Standards angefertigt wurde und das Ziel hat, alle Teilnehmer bis in die letzte dunkle Ecke ihres Daseins zu durchleuchten. Neben “Name, Alter, Dienstgrad” führt das dann gelegentlich mal zu folgenden Auswüchsen:
- Was ist das Beste, was Ihnen jemals passiert ist?
- Was würden Sie tun, wenn Sie einen Wunsch frei hätten
- Was lässt Sie jeden Morgen aufstehen?
- …
Die Liste lässt sich leider beliebig erweitern und wenn ich jetzt alle mir bereits gestellten seltsamen Fragen aneinanderreihen würde: Ich könnte darauf zum Mond klettern. Jedes Mal bin ich erleichtert, dass ich nicht auch noch nach der Konsistenz meines Stuhlgangs gefragt wurde. Puh!
Und jetzt mal ganz ehrlich: Wer bei der Beantwortung dieser Fragen schlicht und ergreifend ehrlich war und nicht die Gelegenheit genutzt hat sich selbst als hero of the day darzustellen, der werfe den ersten Stein!
Was ich machen würde, wenn ich einen Wunsch frei hätte? Ist klar… Da haben sie ALLE gelogen… Ferkel!
Der Hauptteil – Jetzt geht es ans Eingemachte!
So. Da wir nun die Vorstellungsrunde hinter uns gebracht und von jedem Teilnehmer ein psychologisches Tiefenprofil vorliegen haben, widmen wir uns dem eigentlichen Grund des Meetings. Dafür haben wir Dank 1,5 Stunden Selbstbeweihräucherung jetzt noch genau 45 Minuten Zeit.
Die Unterlagen, die ein ambitionierter Kollege vorbereitet hat und die Basis für das Meeting sind, hat sich natürlich niemand angesehen. Dazu hatten wir alle keine Zeit. Schließlich haben wir den ganzen Tag Meeting. Natürlich tun aber alle so, als ob.
An dieser Stelle sei uns erlaubt, Ihnen eine kleine Überbrückungsmaßnahme an die Hand zu geben: Bull Shit Bingo. Bringt einen nicht weiter. Haben wir auch nicht erfunden. Ist aber trotzdem lustig.
Wer schreibt eigentlich Protokoll? | Das war wohl der Permanent Marker… | Wo ist der Moderationskoffer? | Haben wir ein Flipchart? |
Wie geht der Beamer an? | Achtung! Nicht über mein Ladekabel stolpern! | Gibt es noch eine freie Steckdose? | Ach, das ist mein Handy, das hier die ganze Zeit klingelt? |
Frau/Herr Schnarch kommt etwas später | 5 Minuten Bio Pause | Ach, das Meeting hat schon um 10 angefangen? | Gibt es eine Agenda? |
Wer hat überhaupt eingeladen? | Worum geht es heute? | Der Kaffee ist leer | Wann machen wir Mittag? |
Da müssen wir ein Folgemeeting vereinbaren | Oh. Eine Stunde Meetingdauer reicht nicht aus, um 26 Agendapunkte zu besprechen? | Ach? Hattet ihr den Raum auch reserviert? | Intern nur die billigen Plätzchen |
Da sich Ahnungslosigkeit und Langweile meist ganz gut verstehen, wird dann auch noch fröhlich getuschelt und es werden diskussionstechnisch einfach mal 3 Nebenkriegsschauplätze aufgemacht. Alternativ verlassen die Teilnehmer in stetigem Wechsel einfach mal den Raum für ein wichtiges Gespräch. „Sorry, das kann nicht warten, da muss ich mal eben dran gehen“. Ganz toll übrigens, wenn man der Depp ist, der vorne steht und präsentiert. Oder der Protokolldepp.
So wird das Meeting kurzerhand nach einer sagenhaften Zielerreichung von knapp 20% beendet, da die ersten schon wieder Ihren Flieger oder die Bahn kriegen müssen (Meetingende 16:00 = Abflug 15:55). Schnell noch die obligatorischen „Next steps“ besprechen und das einzige ToDo festlegen: „Organize follow-up meeting! Agendapunkt 1: Vorstellungsrunde”
Nachbereitung
Da der hierfür zuständige Protokolldepp in die zahlreichen Nebenkriegsschauplätze verwickelt war und den Rest der Zeit damit verbracht hat, die Protokoll-Formatvorlage zu bezwingen, fällt die Zusammenfassung eher dürftig aus. Damit das nicht auffällt, werden punktuell einfach ein paar Textpassagen der Meeting-Unterlage in das Protokoll kopiert und das Ganze dann per E-Mail („Vielen Dank für das konstruktive Meeting heute“) an den entsprechenden Teilnehmerkreis verschickt. Auf nimmer Wiedersehen und ab ins Datennirvana!
Was nun?
Dem Kollegen / Manager / CEO / Kunden / Hausmeister mitzuteilen, dass die Meetingreihe für den Eimer ist, scheint nicht in jedem Fall unmittelbar eine 1a Idee zu sein. Dennoch: Ich bin irgendwann dazu übergegangen, ein eindeutig sinnbefreites Meeting entsprechend zu kommentieren. Im passenden Rahmen und in der richtigen Form – keine Frage. Denn wie die Axt in den Wald schreit, so trägt man sie mit den Füßen voran wieder hinaus. Aber unsere wertvolle Arbeitszeit können wir alle mit großartigeren Dingen verbringen, als mit der nächsten Competition zu Germanys most fancy Vorstellungsrunde. Oder Bullshit-Bingo. Obwohl der Unterhaltungswert nicht zu unterschätzen ist. Man muss halt das Beste draus machen.
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